31.03.1997
ABC
Von Dallach, Christoph
Mit einem exzellenten Programm und geschmeidig arrangierten Melodien feiert die englische Pop-Band ihr Comeback.
Elvis Presley trat im goldenen Glitzeranzug auf. Billy Fury besaß einen. Auch Bono stolzierte gülden über die Bühne. Und Martin Fry nannte gleich drei goldene Glitzeranzüge sein eigen. Das war Anfang der achtziger Jahre. Den einen stopfte Fry in einem Tokioter Hotel in den Müll. Ein zweiter wurde ihm aus der Umkleidekabine gestohlen. Und an den dritten möchte er nicht mehr erinnert werden. "Damals habe ich ihn fast täglich getragen - bis ich das Gefühl hatte, darin zu ersticken", sagt Fry mit leicht verkniffenem Gesicht. "Ich hatte keinen Spaß mehr an Anzügen."
Das ist nicht zu übersehen. Heutzutage trägt Fry, 39, fleckige rote Wildlederschuhe, alte Jeans und ein zerknittertes Oberhemd. Daß er so auch eine Konzertbühne betritt, hätte noch vor wenigen Jahren kein Mensch geglaubt. "Es geht mir allein um die Musik. Warum soll ich mich dafür verkleiden? Mein Ego ist stark genug!" erklärt er, als müsse er sich verteidigen. Dabei besteht dazu wirklich kein Anlaß. "Skyscraping" (RCA), das neue Album seiner Band ABC, ist großartig. Himmlische Melodien, geschmeidig arrangiert. Funkelnder Pop also, wie ihn ABC seit über 15 Jahren zelebrieren.
Als Fry 1980 in Sheffield mit Mark White und Stephen Singleton die Idee zu ABC hatte, verehrte er Bryan Ferry und war auf der Suche nach großen Gefühlen und Gesten, welche die triste Welt verändern könnten. Im Kampf gegen das Mittelmaß hieß seine Waffe Style. "Ich wollte auffallen. ABC waren immer eine extreme Band. Daß wir oft als reiner Mainstream abgetan wurden, ist falsch."
Am Anfang machte Fry alles richtig. Die ersten Singles "Tears Are Not Enough", "Poison Arrow" und - natürlich - "The Look Of Love" sorgten für Aufruhr und Euphorie in der Popwelt. Das Debüt-Album "The Lexicon Of Love" galt schon bei Erscheinen als Klassiker. Gut für ABC - schlecht fürs Weitermachen. Denn wo soll man noch hin, wenn man ganz oben anfängt? "Wenn wir nach ,Lexicon Of Love' mit ,Thriller' oder ,Sgt. Pepper's' rausgekommen wären, hätten wir trotzdem schlechte Kritiken bekommen", klagte Fry einige Jahre später. Der Koloß, den sie mit ihrem Debüt geschaffen hatten, überschattete alles, was sie ausprobierten. Obwohl das Album "How To Be A Zillionaire" Mitte der Achtziger in Amerika gut ankam, wußten Fry und White vor sechs Jahren nicht mehr weiter. White läßt sich seitdem vom Buddhismus leiten, und Fry war froh, "sich um seine Töchter kümmern zu können, ohne immer ABC im Kopf zu haben".
Im Mai will Fry mit ABC auf Tour gehen, und die Angestellten seiner Plattenfirma haben angekündigt, in goldenen Anzügen zu erscheinen. Da kann Fry nur höhnisch lachen: "Nicht jeder hat den Mumm, so einen Anzug zu tragen. Es ist hart - vertraut mir!"